Aber früher ging‘s doch auch?

Das frühe, deutsche Schulsystem hat sich ursprünglich vor allem an den Bedürfnissen einer Zeit entwickelt, in der die Kinder auf den Höfen und in den Fabriken mitarbeiten mussten. Als die Schulpflicht im 19. Jahrhundert eingeführt wurde, stieß diese zunächst einmal auf Widerstand. Weder Bauern noch Fabrikbesitzer wollten auf die billige Arbeitskraft der Kinder verzichten. Als Kompromiss wurden die Unterrichtszeiten in den Schulen mit den Arbeitszeiten abgestimmt: Früher Schulbeginn und „freier“ Nachmittag. Auch die langen Sommerferien gehen darauf zurück, dass in dieser Jahreszeit auf den Höfen viel zu tun war. Vielleicht weiß auch der ein oder andere noch, dass die Herbstferien früher „Kartoffelferien“ genannt wurden, in denen die Kinder bei der Kartoffelernte helfen mussten.

Die heutigen Schulzeiten sind also immer noch Spiegelbild der damaligen Lebensverhältnisse.

 (Übrigens: 1839 wurde ein Kinderschutzgesetz verabschiedet, nach dem Kinder nur noch beschäftigt werden durften, wenn sie bereits zuvor eine Elementarschule besucht hatten oder dies neben der Arbeit noch tun konnten.)

 Im 19 Jahrhundert waren die Kinder vor allem auf den Bauernhöfen fast den ganzen Tag im Freien und damit hellem Tageslicht ausgesetzt. Nachts war es dagegen sprichwörtlich stockdunkel. Unter solchen Verhältnissen mit starken Licht- und Dunkelphasen kann sich ein stabiler Wach-Schlaf-Rhythmus entwickeln, der mit den natürlichen Lichtverhältnissen mitschwingt.

 Heute leben wir in völlig anderen Verhältnissen.

Tagsüber halten wir uns hauptsächlich in geschlossenen Räumen auf und bekommen dadurch viel zu wenig Licht. Abends und nachts sind wir von vielen Lichtquellen umgeben, es ist viel zu hell. Insbesondere Bildschirme geben blaues Licht ab, die unserem Organismus vorgaukelt, dass es gerade heller Mittag sei.

Uns fehlt damit der natürliche Impulsgeber – ein starker Lichtwechsel zwischen Tag und Nacht -, der die verschiedenen inneren Rhythmen mit den äußeren Verhältnissen synchronisieren kann. Dadurch zeigen sich bei den einzelnen Menschen heute viel individuellere Biorhythmen.

 Übrigens:

Studien mit Tieren weisen darauf hin, dass die Lichtverhältnisse in der frühen Kindheit den späteren Biorhythmus bis zu einem gewissen Grade prägen können. So zeigen Mäuse, die in winterlich kurzen Lichtphasen aufwuchsen, im späteren Leben eine zeitlich nach hinten verschobene Tagesaktivität.